Donnerstag, 29. Juni 2017

Die erste Begegnung



Wann begegnen wir dem Ernst des Lebens das erste Mal? Ist die erste Begegnung vorbestimmt? Beginnt der Ernst des Lebens bei der Geburt, kaum der erste Atemzug in der kalten, grellen Welt und da steht Ernst schon?  Oder begegnen wir ihm erst im Kindergarten, am ersten Schultag, während der Abschlussprüfung, der Lehre, des Studiums oder im Berufsleben? Und wenn wir ihm begegnen, verbirgt er sich oder grinst er uns unverblümt in unser erschrockenes Gesicht?

Ich habe Ernst das erste Mal im Kindergarten entdeckt. Zumindest bewusst. Mag sein, dass er mir auch schon früher mal den Schnuller hämisch kichernd aus dem Mund gezogen hat und um sich an meinen dicken Tränen zu ergötzen. Erinnern kann ich mich daran nicht . Was die frühkindlichen Erinnerungen angeht bin ich eher Durchschnitt, die beginnen  mit drei.
Kaum drei geworden, wurde ich, wie die meisten anderen Kleinkinder ungefragt in den Kindergarten gesteckt.  Ich war eher begeistert. Die Aussicht jeden Tag mit vielen Kindern spielen zu dürfen und keine Eltern um mich herum zu haben fand ich spannend. Sehnsüchtig dachte ich an Schlammschlachten, die Einnahmen von diversen Klötzchenburgen, Dreihradwettrennen und mit richtigem Kleber kleben. Wahnsinn! Der ersehnte Morgen war gekommen und wir maschierten den Hügel vom Hochhaus hinab Richtung hell erleuchteten Bungalow. An der Hand meiner Mutter betraten ich den Tempel der Abenteuer, eine Nonne nahm uns in Empfang. Das war neu. Die schwarze Robe verunsicherte mich sehr, dennoch ließ ich die Hand meiner Mutter los und folgte  tapfer der Dame in Schwarz. Hinter der schweren Milchglastüre sah die Welt auch schon rosiger aus. Mich begrüßte fröhliches Kindergebrabbel und Kindergarten war, was ich mir darunter vorgestellt hatte. Spielen, zwischendurch vespern, wieder spielen und mit Kleber kleben. Punkt 12:30 Uhr fand mein Abenteuer allerdings ein jähes Ende. Mittagsschlaf! Ich bin mir sicher, dass Ernst in diesem Momant das erste Mal hinter dem Spielzeugregal hervor lugte und mir zuzwinkerte. Schon als Kleinkind ließ ich mir ungern etwas Vorschreiben. Außerdem machten schließlich nur Babies einen Mittagsschlaf. Leute, ich bin DREI! Nach erstem Gezeter legte ich mich auf den mit Matten ausgelegten Boden zu den anderen. Da lag ich dann, die Augen geschlossen, bemüht zu schlafen. Konnte aber nicht schlafen und setzte mich auf um das der Nonnen, die über unseren Köpfen thronte, mitzuteilen.  Durch ein kurzes abruptes Handzeigen wurde mir allerdings sofort der Mund verboten und verständlich gemacht, mich wieder auf meine Matte zu legen. Kurzer Zeit später setzte ich mich wieder auf, da ich die Sache doch gerne erörtern wollte. Es musste ja schließlich eine plausible Erklärung geben, warum ich jetzt schlafen sollte. Wieder wurde ich, diesmal durch ein Zischen, mundtot gemacht. In diesem Moment sah ich Ernst ganz deutlich hinter der Nonne stehen und hörte sein rauchiges Kichern.

"Als Kind wird gemacht was die Erwachsenen sagen! Da gibt es keine Diskussion, Erwachsene haben immer Recht! Also Mund zu, Augen schließen und schlafen!!! So sind die Regeln! Hier beginnt der Ernst des Lebens! Gewöhne dich mal besser gleich dran!"


Mein erster und letzter Tag im Kindergarten. "Ätschibätsch!"


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen